Am 26. Tag unserer Reise tauchten wir richtig in Belgien ein. Der “Sint Pietersberg” war der erste beeindruckende Berg, den wir auf dieser Tour erblickten. Noch ahnten wir nicht, welche Herausforderungen die nächsten Tage für uns bereithalten würden. Nach den flachen Landschaften und den großartigen Radwegen in den Niederlanden waren wir an eine gewisse Bequemlichkeit gewöhnt. In Belgien sah das ganz anders aus. Mal fuhren wir auf einem schmalen Radstreifen entlang der Landstraße, mal mussten wir auf den Gehweg ausweichen, und manchmal hörte der Radweg einfach auf, sodass wir improvisieren mussten.
Wir näherten uns Lüttich, die Zeit verging und es wurde immer später, doch unsere Motivation trieb uns weiter. Ab 18 Uhr fuhren wir durch diese lebendige Großstadt. Eigentlich hatten wir hier eine Zusage von einem Warmshowers-Host, doch dieser hatte kurzfristig abgesagt und unsere anderen Anfragen blieben unbeantwortet. Uns war also klar, dass wir Lüttich komplett durchqueren mussten.
Entlang des Albertkanals führte unser Weg uns in die Innenstadt, wo wir uns kurz umsahen. Dann überquerten wir den Kanal Richtung Osten und wurden sofort von den steilen Anstiegen überrascht. Solche Berge hatten wir nicht erwartet. Es ging steil bergauf und wieder hinab, manchmal mussten wir sogar schieben. Zum Glück hatten wir ausreichend Wasser dabei, denn die Anstrengung war enorm.
Nach einigen Stunden des Kämpfens mit den Höhenmetern fanden wir zufällig ein verlassenes Grundstück mit einem Lost-Place-Gebäude darauf. Es schien ein perfekter Ort für die Nacht zu sein, vor allem, weil die meisten Leute das Fußballspiel der Europameisterschaft verfolgten und am nächsten Tag zur Arbeit oder Schule mussten. Hier konnten wir endlich zur Ruhe kommen und uns auf die nächsten Abenteuer vorbereiten.
Ungeplante Hitze: Wie wir Zuflucht auf einem Campingplatz fanden
Wir fanden den Ort auf dem verlassenen Gelände so ideal, dass wir planten, dort einen Pausentag einzulegen. Doch ab Mittag wurde es extrem heiß. Die Temperaturen im Zelt stiegen weit über 30 Grad Celsius (gemessen mit unserem Hygrometer), was die Situation ziemlich anstrengend machte. Ein positiver Aspekt war jedoch, dass unsere Solaranlagen bei dieser Sonnenstärke hervorragend arbeiteten und unsere Powerbanks gut nachluden.
Unser Wasservorrat ging jedoch zur Neige, sodass wir uns am frühen Nachmittag entschieden, weiterzuziehen. Der nächste Supermarkt war nur etwa 3 km entfernt. Nach einem kurzen Halt dort, um unsere Vorräte aufzufüllen, fuhren wir weitere 3 km, um spontan auf einem Campingplatz einzuchecken. Dieser lag in der Nähe eines wunderschönen Schlosses, das wohl als eine Art Jugendherberge diente.
Am Empfang des Campingplatzes trafen wir auf Deutsche mit Wohnmobilen, unter anderem aus Hannover. Obwohl der Herr am Empfang kein Deutsch und nicht so gut Englisch sprach, verlief der Check-in schnell und einfach. Er wies uns persönlich einen ruhigen Zeltplatz zu. Zur Übernachtung gehörte auch ein kostenfreier Besuch im Freibad hinter dem Campingplatz, aber dieses war an dem Tag zu überfüllt.
Die Ardennen erreichen
Am 28. Tag schliefen wir entspannt aus – daran hatten wir uns auf dieser Reise gewöhnt. Gegen 10:30 Uhr, nachdem wir alles zusammengebaut, auf den Fahrrädern verstaut und gefrühstückt hatten, ging es weiter. Wir stellten uns auf weitere Höhenmeter ein, die uns mit Sicherheit erwarteten. Doch diese Herausforderungen nahmen wir an, schließlich wollten wir daran wachsen, da uns im Laufe der nächsten Monate noch viel größere Berge erwarteten.
Im Laufe des Tages kämpften wir uns bis auf 580 Meter über dem Meeresspiegel. Das Beste daran war der Ausblick über die ganzen Täler und Dörfer sowie die Abfahrten, die wir mit Vorsicht genossen – insbesondere nach Annkathrins Sturz in den Niederlanden. Schließlich erreichten wir die Berge Ostbelgiens, genauer gesagt die Ardennen.
Die Ardennen sind ein dicht bewaldetes Hochland, das sich über Teile Belgiens, Luxemburgs und Frankreichs erstreckt. Bekannt für ihre steilen Hänge und tiefen Täler, bieten die Ardennen spektakuläre Landschaften und sind ein beliebtes Ziel für Outdoor-Aktivitäten wie Wandern, Radfahren und Klettern. Die Region ist auch historisch bedeutsam, insbesondere durch die Ardennenoffensive im Zweiten Weltkrieg.
Als wir auf der Straße bei Fischvenn fuhren, überholten uns zahlreiche Mofas und Motorroller. Wir vermuteten, dass sie an einer Rallye teilnahmen. Von historischen und aufpolierten bis hin zu modernen motorisierten Kleinkrafträdern – die Vielfalt war beeindruckend. Diese Fahrzeuge begegneten uns auch einige Kilometer weiter, als wir die Aussicht am Staudamm von Robertville genossen.
Der Staudamm von Robertville ist ein beeindruckendes Bauwerk, das den Fluss Warche staut und den See von Robertville bildet. Der Stausee dient nicht nur der Wasserversorgung, sondern ist auch ein beliebtes Ausflugsziel für Naturliebhaber.
Auf dem Vennbahnradweg
An Tag 29 landeten wir plötzlich auf dem Vennbahnradweg. Der Vennbahnradweg ist ein beeindruckender, etwa 125 Kilometer langer Fahrradweg, der entlang einer ehemaligen Eisenbahnstrecke von Aachen in Deutschland bis nach Troisvierges in Luxemburg verläuft. Er bietet eine einzigartige Kombination aus flachen Wegen und malerischen Landschaften, ideal für Radfahrer.
Die Wege verbesserten sich schlagartig und es ging oft bergab – eine Erleichterung, nachdem wir Tage und Stunden mit den Bergen in Nordost-Belgien gekämpft hatten. An einem Supermarkt füllten wir noch kurz unsere Vorräte auf und hatten ein mulmiges Gefühl. Es sollte nämlich ab 22 oder 23 Uhr gewittern und das kann im Zelt entweder ziemlich gefährlich werden oder sehr nass. Nico fragte deshalb in einer Fahrradgruppe auf Telegram nach Rat und bekam schnell passende Antworten. Unser Ziel stand fest: eine Grillhütte, die uns als Schutzhütte dienen sollte. Auf den Bildern im Internet war zu sehen, dass sie groß genug war, damit unser Zelt hineinpasst.
So fuhren wir weiter auf dem Vennbahnradweg und erreichten schließlich die Hütte. Wir schauten uns um und waren begeistert. Doch es war auch zu lesen, dass das Objekt zu mieten war, und wir wollten keinen Ärger einhandeln. Im Internet fanden wir eine Telefonnummer und riefen an. Der Herr am Telefon konnte wunderbar Deutsch – das ist in Ostbelgien ganz normal, da die Menschen dort zweisprachig (Französisch und Deutsch) aufwachsen. Wir erklärten ihm, dass wir auf einer großen Radtour sind und am Abend ein schweres Gewitter kommen soll, weshalb wir Schutz benötigen. Der Herr, der das Objekt offensichtlich verwaltete, sah darin keine Probleme und sagte uns zu.
Zudem hatten wir im Hinterkopf, dass unsere Powerbanks und Kameras kaum noch Strom hatten. Da wir bereits Steckdosen in der Hütte gesehen und ausprobiert hatten, baten wir ihn darum, den Strom einzuschalten. Circa zwei Stunden später kam er vorbei, wir plauderten freundlich miteinander, er schaltete uns den Strom an und schloss sogar die kleine Toilette auf, die sich in der Nähe befand. Die einzige Bitte war, dass wir am Folgetag früh weg sein sollten, da dort eine geplante Feier stattfinden sollte.
Pünktlich um 22 Uhr fing der Regen an und das angekündigte Gewitter hatte ab 23 Uhr seinen Höhepunkt. Wir waren froh, im Trockenen zu sein. Wir hatten auf der Küchenarbeitsfläche unsere technischen Geräte verteilt und an die drei Steckdosen angeschlossen. Unser Zelt stand mittig im hinteren Bereich der Hütte, diesmal ohne Außenplane, da wir ja ein festes Dach hatten. Es war alles zum Schlafen vorbereitet, doch wir sahen durch die großen Fenster die Wassermassen, die draußen vom Dach fielen.
Plötzlich kam das Wasser auch in die Hütte – von allen Seiten. Zentimeter für Zentimeter drohte es, unser Equipment zu durchnässen. Schnell sicherten wir alles, was wir auf dem Boden liegen hatten, und legten es irgendwie auf die Räder. Es floss immer mehr Wasser in die Hütte und näherte sich dem Zelt. Doch Entwarnung: Als der Starkregen aufhörte, ließ auch das Wasser nach. Es hatte wohl außen Möglichkeiten gefunden, im Boden zu versickern oder abzufließen. Die Anspannung legte sich bei uns, wir stopften uns Gehörschutz in die Ohren und versuchten zu schlafen.
Mitten in der Nacht wurden wir durch eine Technoparty in der Nähe für ein paar Minuten wachgehalten, dösten aber im Halbschlaf weiter. Auch das Metalldach der Hütte war durch die Regentropfen ziemlich laut geworden. Da hatte der Gehörschutz auch nicht viel gebracht. Aber Hauptsache, wir waren sicher, trocken und konnten unsere Elektrogeräte nachladen. Etwas zerknittert bauten wir am nächsten Morgen alles ab, frühstückten und zogen weiter.
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