Kurz nach der Grenze hörte der Bahntrassen-Radweg abrupt auf. Der erste HĂŒgel lieĂ nicht lange auf sich warten, und wir mussten mĂŒhsam in unseren ersten GĂ€ngen hinaufstrampeln. Auf dem Weg fĂŒllten wir unsere Wasserflaschen an WasserhĂ€hnen auf Friedhöfen auf â ein Geheimtipp unter Radreisenden, besonders wenn der nĂ€chste Supermarkt zu weit entfernt ist oder die GeschĂ€fte geschlossen sind. Friedhöfe bieten oft trinkbares Leitungswasser.
Zwischendurch endeten die Fahrradwege Ă€hnlich wie in Belgien plötzlich, und wir fanden uns auf LandstraĂen zwischen schnell fahrenden PKWs und tonnenschweren LKWs wieder. Annkathrin sah sogar, wie ein Auto auf der Gegenfahrbahn ein Autoteil verlor.
Wir fuhren weitere 14,9 Kilometer von der Grenze entfernt, bis wir einen geeigneten Platz fanden, um unser Zelt aufzuschlagen. Doch wir warteten bis zur DĂ€mmerung mit dem Zeltaufbau und nutzten die Zeit auf unseren CampingstĂŒhlen, um an unseren Smartphones ein YouTube-Shortvideo und mehrere BlogbeitrĂ€ge zu bearbeiten.
Ein Tag voller Höhen und Tiefen
Am Tag danach schliefen wir bis ungefĂ€hr 9:15 Uhr aus. Die Vögel zwitscherten wieder voll motiviert, eine KrĂ€he krĂ€chzte oben im Baum und ein paar Fahrzeuge rauschten auf der StraĂe in der NĂ€he vorbei. Die Sonne war auch schon da und schien durch die ganzen BlĂ€tter der BĂ€ume, denn es sollte ein warmer Tag werden. Diesen gingen wir ruhig an. Bevor wir uns daran machten, das Zelt abzubauen, bauten wir erstmal die CampingstĂŒhle wieder auf und aĂen etwas zum FrĂŒhstĂŒck.
Dann ging es weiter. An Tag 39 brachten wir entspannte 26,4 Kilometer hinter uns. Es war heute mit bis zu 33,6 °C etwas wĂ€rmer, deshalb mussten wir viel trinken und zwischendurch Pause machen. Gegen Mittag hatten wir mit einigen Höhenmetern zu kĂ€mpfen, mussten ein paar steile Berge hinaufschieben und wurden mit tollen Aussichten belohnt. Um 14:15 Uhr machten wir an einer Kirche in einem Dorf Halt, um uns im Schatten der groĂen BĂ€ume auszuruhen. Zu unserer Begeisterung fanden wir mehrere Steckdosen, die an der AuĂenseite der Kirche angebracht waren, und nutzten die Gelegenheit, um unsere Powerbanks nachzuladen.
Wir nutzten die Zeit auch, um unsere Laptops auszupacken, einen Blogbeitrag zu erstellen und an einem YouTube-Video zu arbeiten. Auf unseren Smartphones hatten wir gesehen, dass uns gegen 19 Uhr ein Gewitter erreichen sollte, deshalb fuhren wir gegen 16:30 weiter und schauten nebenbei schon mal nach passenden UnterstĂ€nden. Gegen 17:25 Uhr fĂŒllten wir erneut unsere WasservorrĂ€te auf einem Friedhof auf.
Plötzlich landeten wir am Ardennes-Kanal. Der Ardennes-Kanal ist ein beeindruckendes GewĂ€sser, das sich durch die hĂŒgelige Landschaft der Ardennen schlĂ€ngelt und ein beliebtes Ziel fĂŒr Radfahrer und Wanderer ist.
Das freute uns sehr, da wir es neben dem Kanal angenehm zu fahren hatten: die Wege waren geteert und es gab keine starken Steigungen. NĂ€he des Kanals fanden wir schnell einen passenden Unterstand â eine Art Garage, die mal angefangen wurde und nie zu Ende gebaut wurde und wahrscheinlich schon wenige Jahre so dort stand, denn das kleine GrundstĂŒck war ziemlichmi zugewuchert. Der Garagenrohbau hatte zwei ganze und eine halbe Wand sowie ein Metalldach.
Hier schoben wir unsere FahrrĂ€der in die Ecke, wo eine ganze und die halbe Wand aufeinandertrafen, und kochten uns etwas Leckeres zu essen. Erst gab es Spaghetti mit Tomatensauce und dann gönnten wir uns noch jeweils einen Pappbecher Chinanudeln. WĂ€hrenddessen schĂŒtteten die Wolken drauĂen öfter mal einige Regenschauer ab. Das Dach hielt dicht und wir blieben trocken.
Am Ardennes-Kanal entlang
Morgens radelten wir nach einem kurzen FrĂŒhstĂŒck weiter. Anfangs regnete es noch etwas, dann kam die Sonne wieder heraus, und das anfangs immer mal wieder im Wechsel. Wir radelten knapp 40 km am Ardennes-Kanal entlang. In Nouvion-sur-Meuse kauften wir ein und kamen kurz danach mit einem anderen Radreisenden ins GesprĂ€ch. Dieser kam aus Paris und wollte nach Luxemburg City radeln. Er berichtete auch, dass er bereits einmal fĂŒr achtzehn Tage den Jakobsweg entlang geradelt war. Der Radreisende konnte allerdings wenig Englisch und sonst nur Französisch, was die Kommunikation etwas erschwerte.
Am Ardennes-Kanal fuhren wir an diversen Schleusen vorbei, die teilweise nur wenige hundert Meter voneinander entfernt waren. Auf dem Fahrradweg neben dem Kanal mussten wir plötzlich halten, weil ein Baum umgekippt und den Weg versperrt hatte. Drei Kinder versuchten bereits, diesen mithilfe einer Multifunktionsschaufel mit SĂ€ge kleinzusĂ€gen. Wir halfen ihnen dann, indem Nico unsere SĂ€ge herausholte und den etwa zehn Zentimeter dicken Baum mĂŒhelos durchsĂ€gte. Die beiden Jungs zogen anschlieĂend die beiden BaumhĂ€lften an den Wegesrand und der Rest half dabei, die Ăste an den Wegesrand zu legen. Die Kinder sprachen kein Englisch und trotzdem haben wir gemeinsam die Herausforderung gemeistert.
Kurze Zeit spĂ€ter fanden wir ein Bootswrack an dem Ort, wo frĂŒher einmal La Porte Hachan war, eine historische Schleuse am Kanal. Dann radelten wir noch etwas durch eine Stadt und fĂŒllten unsere TrinkvorrĂ€te auf einem Friedhof bei einer charmanten Kirche in Tagnon auf.
Kurz bevor wir die 58,4 km voll machten, begannen wir auf Schlafplatzsuche zu gehen. Wir fanden zuerst zwar einen Platz, entschieden uns dann aber aus bestimmten GrĂŒnden weiterzuziehen. Kurze Zeit spĂ€ter erblickten wir einen wunderschönen Garten mit GĂ€nsen, HĂŒhnern und einem Teich. Ein Ehepaar (zwischen 50 und 60) und deren Sohn (vermutlich Anfang/Mitte 20) waren gerade dort und fragten, ob sie uns helfen könnten. Das Ehepaar konnte kein Englisch, aber deren Sohn konnte etwas ĂŒbersetzen. Wir antworteten, dass wir auf der Suche nach einem Schlafplatz sind, wo wir unser Zelt aufschlagen könnten. Voller Begeisterung boten sie uns an, das Zelt auf einem frei wĂ€hlbaren Ort auf deren GrundstĂŒck zu errichten. Wir kamen auch noch ein wenig ins GesprĂ€ch und dann verabschiedeten wir uns mit âbonne nuit.â
Morgens, an Tag 41, standen wir gegen 9 Uhr auf. Wir packten langsam alles zusammen und lieĂen die AuĂen- und Bodenplane in der Sonne trocknen. Danach fuhren wir zur BĂ€ckerei (hier âBoulangerieâ genannt) und kauften uns ein französisches Baguette. Wir machten Halt an der Kirche im Ort, aĂen das Baguette mit der restlichen Marmelade und putzten unsere ZĂ€hne.
Plötzlich bemerkte Nico ein Ei im Gras vor einem Baum bei der Kirche. Vorsichtig hob er es mit einem KĂŒchenhandtuch auf und legte es abseits des Weges. Wir vermuteten, dass es ein Taubenei war, da wir bei unserer Ankunft zwei Tauben aus dem Baum aufgeschreckt hatten.
Dann radelten wir einige Kilometer neben einer BundesstraĂe entlang, auf einem unebenen Parallelweg. Am Nachmittag erreichten wir Reims. Zuerst fuhren wir zu einem Supermarkt, kauften VorrĂ€te ein und verstauten alles auf Annkathrins GepĂ€cktrĂ€ger.
In der Innenstadt von Reims bestaunten wir den groĂen Reimsschriftzug, einen Torbogen, ein beeindruckendes Hotel, eine riesige Kathedrale mit vielen verschnörkelten Figuren und einen modernen Brunnen. Die Architektur war atemberaubend. Wir kauften drei Postkarten und schrieben unseren Verwandten eine nette Nachricht.
Die Zeit verging schnell, und obwohl wir uns noch gerne genauer umgesehen hĂ€tten, war es schon 18 Uhr. Wir wussten, dass wir noch aus der GroĂstadt herausfahren mussten. Am Kanal in Reims begegneten uns mehr Jogger als Radfahrer â eine ungewöhnliche Anzahl. Danach radelten wir ein StĂŒck auf einer alten Bahntrasse.
Wir entdeckten einen Pizzaautomaten, entschieden uns jedoch dagegen, da es wenig Auswahl und nichts Veganes gab. Weiter ging es durch einen Park, wo wir an zwei Barrieren unsere vollbepackten RĂ€der durch ein GerĂŒst tragen mussten, das offenbar gegen Motorrollerfahrer errichtet worden war.
Nach einer Fahrt durch das Industriegebiet von Reims fanden wir schlieĂlich ein gemĂŒtliches PlĂ€tzchen zum Schlafen mit einem groĂartigen Ausblick auf die umliegenden StĂ€dte und Berge. Vor dem Zeltaufbau aĂen wir noch etwas und entdeckten zufĂ€llig einen Mirabellenbaum hinter uns. Die reifen Mirabellen schmeckten köstlich und rundeten unseren Tag perfekt ab.
Die Nacht war, abgesehen vom nĂ€chtlichen Gewitter, ruhig. Wir radelten gegen 11:30 Uhr weiter und kauften im nĂ€chsten Supermarkt Toilettenpapier. Ein Baguette bei der BĂ€ckerei kostete uns 1,15 âŹ, gĂŒnstiger als im Supermarkt.
Durch Gueux radelnd, sahen wir eine schöne Kirche und einen Brunnen. Ein paar Orte weiter entdeckten wir eine Weinpresse am StraĂenrand und ein Haus mit schicken Fliesen. Weiter ging es entlang vieler Feldwege, die sehr matschig waren, sodass wir teilweise schieben mussten. Die matschigen Wege zwangen uns, zwischendurch unsere RĂ€der zu putzen. Nicos Rad blockierte sogar, also mussten wir alle Taschen abmachen und eine grĂŒndliche Reinigung vornehmen. Mit Ăsten, einem InbusschlĂŒssel und unserem Schneckentuch (ein altes blaues KĂŒchentuch, das wir tĂ€glich benutzen, um Schneckenspuren vom Zelt abzuwischen) kratzten wir den ganzen Dreck aus dem Zwischenraum von Reifen und Schutzblech, der Bremse, den Ketten und ZahnrĂ€dern. Diese Gelegenheit nutzten wir zudem, um unsere Ketten zu putzen und neu zu ölen.
Danach waren wir noch vorsichtiger bei matschigen Abschnitten und fuhren hauptsĂ€chlich im Gras, was uns daran hinderte, viele Kilometer zurĂŒckzulegen. Dann fing es auch noch an zu nieseln. Nico improvisierte mit unserer Zeltbodenplane und einem Heuballen eine Konstruktion, die uns trocken hielt. Wir breiteten darunter unsere Picknickdecke aus und aĂen etwas.
Nach etwa einer Stunde packten wir zusammen und radelten weiter. Es war bereits 19:45 Uhr, also suchten wir einen passenden Schlafplatz. Wir fanden eine SchutzhĂŒtte mit einem kleinen Brunnen davor und putzten zuerst unsere FahrrĂ€der. WĂ€hrenddessen bemerkte uns die Anwohnerin des Hauses daneben und fragte, ob sie helfen könne. Wir erklĂ€rten, dass wir einen Platz zum Schlafen suchen. Das nette Ă€ltere Ehepaar bot uns daraufhin an, in einem Zimmer im Haus oder in ihrem Garten zu ĂŒbernachten. Wir entschieden uns fĂŒr den Garten. Im Schuppen hatten wir Zugang zu Strom, um unsere elektrischen GerĂ€te aufzuladen, und die ganze Nacht ĂŒber Zugang zu einer Toilette.
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