Hupende Autos. Rollerfahrer, LKWs, Eselkarren und Fußgänger teilen sich die Straßen in einem wilden Durcheinander. Verkehrsregeln wirken hier eher wie Vorschläge. Wir werden überholt, geschnitten, bestaunt – und irgendwie passt alles doch zusammen. Es ist laut, wuselig, chaotisch – und lebendig.
Die Luft ist ein wilder Mix: Staub liegt in der Nase, Abgase kratzen im Hals, dazwischen der ĂĽberraschend sanfte Duft von Minztee, der aus kleinen Teestuben weht. In schmalen Gassen riecht es nach frisch gebackenem Brot, scharfen GewĂĽrzen, manchmal nach Tier, manchmal nach MĂĽll. Und immer wieder weht uns ein Hauch Koriander oder KreuzkĂĽmmel entgegen.
Und wir? Wir rollen mittendurch. Gerade noch haben wir die Grenze passiert – und plötzlich stehen wir in einer anderen Welt. Marokko. Laut, nah, wild, freundlich, fordernd. Noch haben wir keine Ahnung, was dieses Land mit uns vorhat.
Einkaufen in Marokko – zwischen Theken, Taschenrechnern und Gesten
Einkaufen in Marokko fühlt sich oft an wie eine kleine Alltagsetappe voller Überraschungen. Besonders, wenn man aus Europa kommt und daran gewöhnt ist, sich selbst durch breite Supermarktgänge zu bewegen, Preise klar zu sehen und Produkte einfach selbst aus dem Regal zu nehmen.

In vielen marokkanischen Dörfern läuft das ganz anders: Statt Regalen gibt es kleine Kioske mit einem schmalen Tresen – oft kaum breiter als ein Arm. Dahinter türmen sich Waren, viele davon für uns unsichtbar. Man muss sagen, was man möchte. Oder deuten. Oder einfach hoffen, dass das Gegenüber einen versteht.
Arabisch und Französisch sind die vorherrschenden Sprachen. Französisch war uns auf unserer vorherigen Reise zwar schon begegnet – gesprochen haben wir es trotzdem kaum. Das machte die Kommunikation oft zu einer Mischung aus Zeichensprache, Lächeln und Rätselraten. Auch das Bezahlen war nicht weniger verwirrend: Statt Preisschildern gibt es Taschenrechner, auf denen der Verkäufer einen Betrag eingibt – und oft ist es schwer zu sagen, ob der angezeigte Preis überhaupt der richtige war. Manchmal wollten sie den Betrag, der auf dem Display stand, überhaupt nicht haben, was uns dann völlig verwirrte.
In den größeren Städten gibt es Supermärkte, aber auch hier gibt es Unterschiede zu den gewohnten Einkaufsabläufen. Es hängt vom Supermarkt ab, ob es Obst, Gemüse, Brot und Backwaren gibt oder ob man sich nur auf abgepackte Lebensmittel wie Nudeln, Reis und Dosenwaren beschränken muss. Wenn es Obst und Gemüse gibt, kann man diese zwar selbst auswählen, doch an einem separaten Tresen in der Obst- und Gemüseabteilung muss das Personal diese dann abwiegen. Es ist also nicht so, dass man es direkt an der Kasse wie in Europa einfach abwiegt – das alles läuft in einem etwas langsameren, persönlicheren Rhythmus ab, was den Einkauf zu einem kleinen Abenteuer macht.
Abseits der Supermärkte ist der Markt (Souk) ein ganz anderes Erlebnis. Viele Einheimische kaufen ihre frischen Produkte dort. Es gibt Stände mit einer riesigen Auswahl an Gewürzen, Brot, Obst und Gemüse, aber auch Kleidung aller Art, Schuhe und Haushaltswaren wie Brotdosen und Küchenutensilien. Der Platz auf den Märkten wird so gut es geht ausgenutzt – alles ist eng gestellt und es herrscht eine fast schon chaotische Atmosphäre. Die bunten Auslagen, der ständige Austausch zwischen Verkäufern und Kunden und das Treiben rundherum machen den Markt zu einem lebendigen Erlebnis. Man wird von allen Seiten angesprochen, muss sich seinen Weg durch die Stände bahnen und gleichzeitig den vielen Gerüchen, Farben und Geräuschen begegnen.
Trotz der anfänglichen Unsicherheiten hatte das Ganze auch seinen Charme. Man begegnet sich auf Augenhöhe, spricht, improvisiert, und manchmal bekommt man zum Abschied noch ein Stück Brot oder einen fragenden Blick mit auf den Weg. Ein Moment der Begegnung, der uns immer wieder erinnerte, dass Reisen auch bedeutet, das Vertraute hinter sich zu lassen und Neues zu erleben.
Gastfreundschaft und zwischenmenschliche Begegnungen
Marokko beeindruckte uns nicht nur mit seiner Landschaft und den lebendigen Farben, sondern vor allem mit der Wärme der Menschen. Besonders in den ländlicheren Gegenden und kleineren Städten fielen uns immer wieder die zwischenmenschlichen Begegnungen auf. Die Menschen schenkten einander mehr Aufmerksamkeit als wir es aus Europa gewohnt waren, tauschten Blicke, und aus diesen spontanen Begegnungen entstanden oft kleine Gespräche.

In den größeren Städten hingegen erlebten wir das, was wir auch aus Europa kennen: Ein Stück mehr Anonymität. Die Menschen gingen meist ihrer eigenen Wege, die Straßen waren hektischer, und der direkte Kontakt war seltener. Dennoch war es nie unfreundlich. Oft wurden wir freundlich mit einem „Hallo“ begrüßt, sei es auf Französisch, Spanisch oder Arabisch. Ab und zu wurden wir auch angehupt – jedoch nicht aus Ärger, sondern aus Interesse und Anerkennung für das, was wir taten. Nach dem Hupen folgte dann oft ein Daumen nach oben, was uns immer wieder zeigte, dass die Einheimischen unser Vorhaben schätzten.
Außerhalb der großen Städte war das Miteinander jedoch ganz anders. Die Menschen schauten einander mehr an, achteten aufeinander, und es herrschte eine spürbare Verbundenheit. Auf den Märkten und in den Dörfern passierte es manchmal, dass uns spontan etwas geschenkt wurde – ein Stück selbstgebackenes Brot, süße Kekse oder auch mal frische Orangen. Diese Geste war nie aufdringlich, sondern immer ein Zeichen von Freundlichkeit und Gastfreundschaft.
Es war jedoch nicht nur das Angebot von Geschenken, das uns berührte. Viel häufiger erlebten wir, dass uns Menschen halfen, ohne dass wir danach gefragt hatten. Sie bemerkten unsere Erschöpfung oder sahen, dass wir vielleicht einen Moment der Ruhe brauchten, und boten uns ihre Unterstützung an. Diese Hilfe war nie aufdringlich, sondern zeigte sich auf eine sehr natürliche und herzliche Weise.
Allerdings war es oft schwer zu unterscheiden, ob uns jemand wirklich aus Freundlichkeit oder aus eigenem Interesse half. Ein Phänomen, mit dem wir immer wieder konfrontiert wurden, war der sogenannte „Faux Guide“. Ein Faux Guide ist jemand, der sich als freiwilliger Helfer oder als lokaler Führer ausgibt, um Touristen durch die Gegend zu begleiten, dabei aber auf eine Bezahlung aus ist, auch wenn er dies zunächst nicht direkt erwähnt. Es war manchmal schwierig zu erkennen, ob jemand uns tatsächlich einfach nur helfen wollte oder ob er sich erhoffte, später Geld von uns zu bekommen.
Diese Unsicherheit prägte einige unserer Begegnungen. Es gab Momente, in denen wir uns fragten, ob jemand uns einfach aus Herzlichkeit ansprach oder uns als Gelegenheit sah, ein wenig Geld zu verdienen. Trotzdem war die Gastfreundschaft, die wir erlebten, meist spürbar und authentisch – auch wenn nicht immer ganz klar war, ob die Hilfe aus reinem Altruismus oder auch aus einem gewissen wirtschaftlichen Interesse erwuchs.
Diese Art der zwischenmenschlichen Begegnung – geprägt von gegenseitiger Aufmerksamkeit und kleinen, unaufgeforderten Gesten – machte unsere Reise in Marokko so besonders. Es waren nicht die großen Geschenke, sondern die vielen kleinen Momente der Begegnung und Unterstützung, die uns immer wieder zeigten, wie wertvoll das Miteinander hier war.
Trinkwasser und Hygiene
Meistens kauften wir unser Wasser in Supermärkten oder Kiosken, wo es überall erhältlich war. Diese Läden waren praktisch und zuverlässig, vor allem in den größeren Städten und auf unseren Etappen.
In ländlicheren Gegenden und abgelegenen Orten fanden wir manchmal öffentliche Trinkwasserstellen, an denen auch Einheimische ihr Wasser abfüllten. Hier füllten wir ab und zu unsere Flaschen auf. Diese Wasserstellen, obwohl einfach, waren gut frequentiert und ein wichtiger Teil des täglichen Lebens für viele Menschen.
Obwohl wir uns unsicher waren, ob das Leitungswasser immer sauber war, verzichteten wir darauf, es abzukochen, sondern entschieden uns konsequent für Flaschenwasser. Es war einfach praktischer und sicherer für uns, da wir uns über die Qualität des Leitungswassers nicht sicher waren, vor allem in den weniger touristischen Gebieten.
Was die Hygiene anging, war es häufig eine Frage des Abenteuers. In den großen Städten gab es moderne Toiletten, die in etwa den europäischen Standards entsprachen, aber je weiter wir uns in ländliche Gegenden begaben, desto spartanischer wurden die Einrichtungen. Oft trafen wir auf einfache Lochklos – unkonventionell, um es milde auszudrücken – und manchmal auch in ziemlich schmutzigem Zustand. Ein weiteres häufiges Merkmal war, dass es in den Toiletten kein Toilettenpapier gab. Stattdessen gab es meist einen Wasserschlauch, mit dem man sich nach dem Toilettengang sauber machen konnte. Für uns als Reisende, die mit solchen Gegebenheiten nicht gewohnt waren, war das anfangs eine Umstellung. Aber mit der Zeit lernten wir, uns auch in dieser Hinsicht anzupassen und nahmen die Herausforderungen als Teil des Erlebnisses an.
In ländlichen Regionen, wo die Lebensverhältnisse oft sehr einfach sind, trafen wir auch auf Duschen, die nicht den europäischen Standards entsprachen. In vielen dieser Gegenden gab es keine herkömmliche Dusche, sondern nur kaltes Wasser, das in Eimern zum Waschen genutzt wurde. Es war eine praktische, aber sehr rudimentäre Art der Körperpflege, die uns dazu brachte, das Bedürfnis nach Komfort in einem neuen Licht zu sehen.
Übernachtungen und Campingmöglichkeiten
In Marokko war es nicht immer einfach, geeignete Übernachtungsmöglichkeiten zu finden, besonders in den abgelegenen Bergregionen. Oft mussten wir vor Ort nachfragen, um einen Schlafplatz zu finden. Wir fragten häufig bei Tankstellen nach, wo wir manchmal die besten Lösungen fanden – einmal übernachteten wir sogar im Gebetsraum einer Tankstelle. In den Bergen fanden wir eine einfache, spartanische Unterkunft bei einer Einheimischen, die uns in einer Art klosterähnlichen Raum unterbrachte. Einmal übernachteten wir auch im Keller einer Moschee, was uns eine ganz besondere Erfahrung ermöglichte.

An der Küste zelteten wir meist auf Campingplätzen, während wir in den größeren Städten oft ein Apartment oder Hotelzimmer nahmen, wenn die Bedingungen es erlaubten. In den Städten gab es immer eine größere Auswahl an Unterkünften, und auch die Suche war meist unkomplizierter.
Was das Übernachten in Marokko jedoch besonders machte, war die Tatsache, dass wir aufgrund unserer Fahrräder immer eine gute Lösung fanden – meist ohne viel Hin und Her mit den Einheimischen. Das war im Vergleich zu Europa eine angenehme Überraschung, wo das Fahrrad manchmal ein Problem bei der Unterkunftssuche darstellen kann. In Marokko waren die Menschen immer hilfsbereit, wenn es darum ging, eine sichere und praktische Lösung für unser Fahrrad und uns zu finden, egal ob es sich um eine Tankstelle, eine Moschee oder eine einfache Unterkunft handelte.
Umgang mit Tieren
Der Umgang mit Tieren in Marokko unterscheidet sich deutlich von dem, was wir aus Europa kennen.
Kühe werden in der Regel an Leinen geführt oder an kleinen Flöcken befestigt und bewegen sich mit ihren Hirten über die Felder. Diese Art des Umgangs zeigt eine pragmatische Haltung, bei der die Tiere oft einzeln oder in kleinen Gruppen unterwegs sind.

Ziegen und Schafe werden ähnlich behandelt. Sie werden in Herden geführt, meist von einer einzigen Person, die mit einem Stock die Tiere lenkt und kontrolliert. Es ist eine eher traditionelle Methode, die auch viel Geduld erfordert.
Straßenhunde und Katzen sind in Marokko weit verbreitet, insbesondere in ländlicheren Gebieten. Sie leben häufig auf der Straße und sind oft nicht gut behandelt. Manchmal werden sie mit Steinen oder Stöcken bestraft, was zu einer traurigen Realität für viele von ihnen führt.
Esel werden in vielen Regionen als Lasttiere genutzt und transportieren Güter durch die Berge. Sie sind häufig erschöpft von der Last, die sie tragen müssen, und werden dann in kurzen Pausen an Flöcken oder Leinen festgebunden, um sich auszuruhen. Die harte Arbeit und die Bedingungen, unter denen sie leben, sind deutlich spürbar.
Fazit: Unsere gemischte Meinung zu Marokko
Marokko hat uns mit seiner landschaftlichen Schönheit und der beeindruckenden Gastfreundschaft vieler Menschen sehr begeistert. Die Vielfalt der Natur, von den Bergen bis zur Küste, und die Herzlichkeit, mit der wir oft empfangen wurden, haben unsere Reise bereichert.
Jedoch gibt es auch Aspekte, die uns nicht immer leicht gefallen sind: Die Armut, die Müllproblematik und der oft mangelnde Respekt gegenüber Tieren waren schwer zu ignorieren und haben uns zum Nachdenken angeregt. Diese Themen spiegeln sich in vielen Teilen des Landes wider und sind ein ständiger Begleiter auf der Reise.
Zudem haben wir oft die Ruhe und Privatsphäre vermisst, die wir aus Europa gewohnt sind. Besonders in den größeren Städten kann das Leben schnell hektisch und anonym wirken. Der ständige Trubel und das Fehlen von persönlichen Rückzugsorten war etwas, das uns besonders im Vergleich zu ruhigeren Orten in Europa auffiel.
Dennoch können wir eine Reise durch Marokko empfehlen. Ein Tipp ist, nicht nur die touristischen Hotspots in den Großstädten zu besuchen, sondern auch in kleinere Ortschaften oder weniger touristische Regionen zu reisen. Hier bekommt man einen viel authentischeren Einblick in das Leben der Einheimischen. Besonders in den kleineren Dörfern und abgelegenen Gegenden ist man oft direkter im Austausch mit den Menschen, die deutlich offener und neugieriger auf Besucher sind als in den urbaneren Gebieten, wo das Leben oft anonym und hektisch verläuft. Auf diese Weise kann man Marokko in seiner ganzen Vielfalt und Authentizität erleben.